Auf dem Heimweg von der Arbeit höre ich gern Radio. Meist lande ich beim Deutschlandfunk, der Anfang Juni über die Vorstellung der Kriminalstatistik 2017 berichtete. Es ging um die Zahl der Kinder, die 2017 Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt wurden und vom Jugendamt aus ihren Familien geholt, also Inobhut genommen wurden. Nicht nur dem Präsidenten des BKA stockte die Stimme; mir kullerten die Tränen. Jedes Kind, dem so etwas schreckliches passiert, ist eines zu viel!
Nachdem wir uns im Kreistag und im Ausschuss für Gesundheit und Soziales letztens mit der finanziellen Entwicklung im Bereich des Jugendamtes beschäftigt haben, wollte ich nun in einer Anfrage an den Landrat wissen, wie es im Bereich der Inobhutnahmen durch das Jugendamt des SHK aussieht.
Auf meine Fragen habe ich zur Kreistagssitzung am 13.6.18 ausführlich Antwort erhalten und danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Arbeit. Auch hier zeichnet sich ein Bild vom Schicksal kleiner Seelen, sei es der Tod eines Elternteils, Sucht oder Gewalterfahrung.
Wir müssen den Bereich der Jugendhilfe stärken, um Kinder mit solch schlimmen Erfahrungen aufzufangen und zu ermöglichen, dass sie möglichst gut aufwachsen können. Das Jugendamt benennt den Mangel an Pflegefamilien und Kurzzeitpflegestellen im Landkreis als ein zentrales Problem. Hier muss hinterfragt werden, woran das liegt und welche Möglichkeiten es gibt, mehr Menschen als Pflegeeltern zu gewinnen.
Hier meine Fragen und die Antworten des Jugendamtes:
Wie viele Kinder unter 14 Jahren wurden 2017 durch das Jugendamt in Obhut genommen?
Im Saale-Holzland-Kreis waren im Jahr 2017 insgesamt 31 Inobhutnahmen bei Kindern bis 14 Jahren notwendig. Dabei handelt es sich insgesamt um 25 Kinder, welche zum Teil mehrfach aus verschiedenen Gründen in Obhut genommen werden mussten.
Wie viele dieser Kinder wurden 2017
a) in einer Pflegefamilie bzw.
b) einer Einrichtung der Kinder-und Jugendhilfe untergebracht?
Im Jahr 2017 wurden im Anschluss an die Inobhutnahme 2 Kinder in Pflegefamilien untergebracht und 4 in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe. Zum Teil dauerten die Inobhutnahmen über die Jahreswende 2017/18 aus verschiedenen Gründen an, sodass einige stationäre Unterbringungen erst 2018 erfolgten.
Zum Stichtag 07.06.2018 sind von den 2017 in Obhut genommen Kindern unter 14 Jahren 7 in einer Pflegefamilie und 5 in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht. Bei den Inobhutnahmen hat das Jugendamt des Saale-Holzland-Kreises versucht, alle Kinder unter 6 Jahren in Bereitschaftspflegestellen in Obhut zu nehmen. Leider ist dies in den letzten Jahren nicht immer möglich, da es nur sehr wenige Plätze in Bereitschaftspflegestellen gibt und auch die Verweildauern eine Neubelegung ausschließen. Jedoch werden diese Kinder dann in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht, welche für diese Zielgruppe geeignet sind.
Wie lange war 2017 die durchschnittliche Unterbringungsdauer außerhalb der Familie?
Die in 2017 notwendigen Inobhutnahmen dauerten im Durchschnitt 67,4 Tage (zwischen 1 und 431 Tagen). Die Kinder waren zwischen 3 Wochen und 14 Jahren alt. Die anschließenden Unterbringungen dauern derzeit teilweise noch an, sodass eine durchschnittliche Unterbringungsdauer für diese Kinder nicht angegeben werden kann.
Alle Kinder und Jugendlichen, welche in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht waren (Anzahl: 67), verweilen bzw. verweilten bis zum 07.06.2018 im Durchschnitt 1083 Tage (36 Fälle dauern weiterhin fort). Von den 31 Fällen, welche in 2017 beendet wurden, verweilten die Kinder und Jugendlichen im Durchschnitt 383 Tage in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung.
Im Jahr 2018 sind zum Stand 30.06.2018 68 Kinder bei Pflegefamilien nach § 33 SGB VIII aufgenommen/untergebracht (Verwandtenpflege bei Großeltern wird hier nur teilweise mit betrachtet). Im Jahr 2017 haben sich 80 Kinder in Pflegefamilien befunden. Davon wurden 20 Pflegeverhältnisse im Jahr 2017 beendet. Davon 2 wegen Volljährigkeit des Pflegekindes.
Im Jahr 2018 wurden bisher fünf Kinder in eine Pflegefamilie aufgenommen. Im Jahr 2017 waren es 17 Kinder. Verlassen haben im Jahr 2018 bisher 2 Kinder ihre Pflegefamilie, davon eines wegen Volljährigkeit.
Die Verweildauer von Kindern in Pflegefamilien ist häufig auf Dauer angelegt. Im Jahr 2017 waren die Kinder und Jugendlichen, welche die Pflegefamilie verlassen haben, durchschnittlich 1194 Tage (ca. 3,3 Jahre) in dieser Hilfe. Im Jahr 2018 sind oder waren (zum Stichtag 30.06.2018) die Kinder durchschnittlich 2000 Tage (ca. 5,5 Jahre) in der Pflegefamilie. Zum Teil dauern die Pflegeverhältnisse seit 1998 an.
Die Pflegeverhältnisse werden häufig über die Volljährigkeit hinaus mit Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) verlängert.
Leider gibt es kaum noch Bewerber für Pflegefamilien. Auch wird der Aufwand, welche die Pflegefamilien mit den Kindern haben aufgrund von diversen Entwicklungsstörungen/Verhaltensauffälligkeiten/gesundheitlichen Einschränkungen der Pflegekinder immer höher. Zudem müssen die Pflegefamilien den Umgang mit den leiblichen Eltern realisieren. Die Entlohnung ist leider nicht sehr attraktiv.
Noch angespannter ist die Lage bei den Bereitschaftspflegestellen, welche die Inobhutnahmen von Kindern bis 6 Jahre abdecken sollten. Hier haben wir nur noch 2 Familien mit insgesamt 4 Plätzen.
Wie viele der in Obhut genommenen Kinder unter 14 Jahren waren 2017 Opfer körperlicher und/oder sexueller Gewalt?
Von den 31 Inobhutnahmen in 2017 bei Kindern unter 14 Jahren war bei 4 Kindern der Grund körperliche Gewalt. Keines dieser Kinder wurde aufgrund von sexueller Gewalt in Obhut genommen. Meist waren die Gründe für die Inobhutnahmen der Drogenkonsum der Eltern und die damit verbundene Verwahrlosung bzw. Vernachlässigung der Kinder (z. B. 9 Fälle Drogenkonsum der Eltern und damit zusammenhängend die Vernachlässigung/Verwahrlosung der Kinder, 4 Fälle Vernachlässigung/Verwahrlosung, 1 Fall (2 Kinder) Erkrankung und Tod der Kindsmutter).
Wie haben sich die statistisch erhobenen Zahlen in Bezug auf die Fragen 1 – 4 im Vergleich zu 2016 verändert?
Im Jahr 2016 wurden durch das Jugendamt des Saale-Holzland-Kreises 27 Kinder bis 14 Jahren in Obhut genommen. Deren durchschnittliche Verweildauer in der Inobhutnahme war 32 Tage. Von diesen Kindern wurden nach der Inobhutnahme 7 in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht und 4 in Pflegefamilien. Die Gründe für die Inobhutnahmen waren vorwiegend Drogenkonsum der Eltern und die damit in Zusammenhangstehende Verwahrlosung und Vernachlässigung der Kinder, körperliche Gewalt an den Kindern, aber auch häusliche Gewalt, welche die Kinder miterlebten, sowie 2 Fälle von sexueller Gewalt.
Die Zahl der Inobhutnahmen hat sich in den beiden Jahren nicht signifikant verändert. Jedoch steigt die Dauer des Verbleibes in der Inobhutnahmestelle, was unterschiedliche Gründe hat. Es fehlte in 2017 ein bzw. z. T. auch beide Richter am Amtsgericht Stadtroda, sodass keine Verhandlungen stattfanden und die Perspektivklärung für die Kinder aufgrund von Nichtmitwirkung bzw. Widerspruch der Eltern/Sorgeberechtigten nicht erfolgen konnte. Es fehlten auch entsprechende Hilfsangebote für die Familien bzw. Kinder (fehlende Pflegeeltern, fehlende Plätze in (bedarfsgerechten) Kinder- und Jugendeinrichtungen, Warteliste bei ambulanten Hilfen).
Statistisch verzeichnet der Saale-Holzland-Kreis einen Anstieg an notwendigen und bewilligten Hilfen zur Erziehung (Gesamtbetrachtung aller Kinder und Jugendlichen (ohne UMA)). So waren Ende 2016 – 247 Kinder/Jugendliche/Familien in Hilfen zur Erziehung und 2017 – 272. Anstiege gab es vor allem in den ambulanten Hilfen (Sozialpädagogische Familienhilfe) und bei Kindern in Pflegefamilien. Letzteres ergab sich u. a. aus vielen Zuständigkeitswechseln in den Saale-Holzland-Kreis aufgrund von Zuzug der Eltern.